Seelengefässe – was Urnen erzählen
Individuelle Urnen – gelebte Leben in Form gegossen

Für G., einen Kunstsammler
G. war ein Kunstsammler – auch meiner Arbeiten. Ich kannte ihn, seine Frau und die beiden Töchter seit über zwanzig Jahren. Als er gestorben war, rief mich seine Frau an und fragte, ob ich seine Urne gestalten könne. Wir führten ein gemeinsames Telefongespräch – sie, eine der Töchter und ich. Ich fragte sie nach Erinnerungen und Bildern, die ihnen wichtig waren.
Seine Frau wünschte sich ein Skelett auf der Urne – das war ihr besonders wichtig. Die Tochter erzählte, dass Spaghetti G.s Lieblingsessen gewesen seien. Auch ein Frauenporträt in Pink, ein Werk, das das Paar sehr geliebt hatte, sollte zu sehen sein. Und: das Bootshaus am See – ein Ort, der in seinem Leben eine Rolle spielte. Im Wasser rundherum tummeln sich nun springende, schwimmende Skelettfische.
Bei der Urnenbeisetzung wurde die Urne so aufgestellt, dass das Frauenporträt nach vorne zeigte. Nach der Trauerrede, beim letzten Abschied, ging seine Frau als Letzte zur Nische – und drehte die Urne. Nun zeigte das Skelett nach vorn. Abschied für die Ewigkeit.
Das war ein stiller, starker Moment – und für mich ein zutiefst berührender. So wurde auch diese letzte Geste zu einem Teil der Gestaltung – ein Bild von Liebe, Erinnerung und dem Mut, loszulassen.

Die Blumenwiese für C.
Die Urne für C. war eine ganz besondere Arbeit. Sie rief mich aus dem Krankenhaus an, und wir blieben über E-Mails in Kontakt.
C. wünschte sich eine Blumenwiese – mit einheimischen Blüten und Insekten. Im Hintergrund sollten die Berge ihres Heimatdorfes zu sehen sein. Ganz oben sitzt eine kleine graue Maus – sie steht für ihre zweijährige Tochter. Ich habe sie von Hand bemalt, damit sie lebendig wirkt. Einen ganzen Tag lang war ich unterwegs, um eine passende Keramikfigur zu finden. Schliesslich wurde ich in einer Zoohandlung fündig und habe sie sorgfältig umgestaltet.
Rund um die Maus arrangierte ich antike Glas- und Stoffblumen, getrocknete Gräser und eine Eichel, in der sie ihren Platz gefunden hat.
Fünf Tage lang arbeitete ich an dieser Urne und schickte C. jeden Abend Bilder vom Fortschritt. So konnte sie noch Dinge ergänzen, die ihr in den Sinn kamen.
Diese Arbeit entstand in einer Phase grosser Verbundenheit – mit viel Nähe, trotz der Distanz. Trotz der kurzen Zeit ist eine Urne entstanden, die C.s Wünsche trägt – mit Sorgfalt, Nähe und Liebe für das, was ihr und ihrem Mann wichtig war.

Berge, Würste und feine Zwischentöne
B. war ein Künstler mit einem feinen Blick für das Besondere im Alltäglichen. Seine Familie erinnert sich an seine Liebe zu gutem Essen – besonders zu Würsten aller Art –, an gemeinsame Skitouren in der Schrattenfluh, vor allem auf den Schybengütsch, wo alles begann. Dieser markante Ort mit seinem rauen Karrenfeld und den alten Sagen wurde für ihn zu einem jährlichen Ziel, das er mit Freunden und Familie teilte. Dort soll nun auch seine Asche verstreut werden.
Auch abseits der Berge war B. viel unterwegs – meist auf dem Velo, seinem liebsten Fortbewegungsmittel. Aber auch die Campingreisen mit seinem Bruder im Land Rover Defender, mit dem Dachzelt, gehörten zu seinem Leben. Seine letzte Reise führte ihn im Oktober nach Sardinien.
Was ihn besonders machte, war seine Gabe, das scheinbar Banale auf überraschende Weise zu sehen und zu benennen – so, dass man innehielt, nachdachte, lächelte.
Ich wusste, dass er in seiner künstlerischen Arbeit mit den Grundfarben Rot, Gelb und Blau arbeitete – inspiriert von Barnett Newman und dessen Werk Who’s Afraid of Red, Yellow and Blue?. Für seine Performances kletterte er über Hausdächer und in unterirdische Rohrsysteme – immer auf der Suche nach neuen Perspektiven.
So ist eine Urne entstanden, die nicht nur seine Asche trägt, sondern auch ein Stück seines Weges, seiner Sicht auf die Welt – jede Linie, jede Farbe ein stiller Gruss an das, was B. ausmachte.